biografie schreiben

So helfen Sie Ihren Erinnerungen auf die Sprünge

Ganz gleich ob Sie sich für die Form der Autobiografie, der Memoiren oder Lebenserinnerungen entscheiden, die Quelle, aus der Sie Ihren Stoff beziehen ist Ihr autobiografisches Gedächtnis, Ihre Erinnerung. Der erste Schritt zu Ihren autobiografischen Aufzeichnungen ist das Erinnern. Nun liegt die Erinnerung aber nicht vor uns wie ein offenes Buch, in dem wir lesen können – genau dieses Buch soll ja gerade erst entstehen. Wie aber schaffen Sie es, die Erinnerungen der letzten verflossenen Jahrzehnte ans Licht zu holen, wenn Sie schon die Frage „Wo waren Sie am 3. Februar 2011 zwischen 11:15 und 14:30?“ nicht ohne weiteres aus dem Stegreif beantworten können?

Keine Angst – bei Ihren Lebenserinnerungen geht es nicht um die lückenlose minutiöse Aufzeichnung Ihrer Stunden und Tage von der Geburt bis heute. Sie müssen sich nicht an alles erinnern, sondern nur an die für Sie subjektiv besonders wichtigen und bedeutenden Erlebnisse. Mag sein, dass diese Ereignisse im Moment verschüttet sind, ganz bestimmt aber sind sie nicht vergessen. Ist Ihre Erinnerungsmaschinerie erst einmal warm gelaufen, werden Sie sich wundern, was alles zum Vorschein kommt. Selbst Begebenheiten und Ereignisse, die Jahrzehntelang versunken waren, schlummerten nur in Ihrem Unterbewusstsein. Seien Sie darauf gefasst, dass nicht nur die schönen und glücklichen Momente Ihres Lebens, sondern auch schmerzhafte Erinnerungen auftauchen können. Auch diese gehören zu Ihrem Leben und machen es reicher. Wie aber heben Sie den Schatz Ihrer Erinnerungen aus den Tiefen Ihres Unbewussten? Sie brauchen dazu keine psychoanalytischen Sitzungen, sie müssen sich auch nicht hypnotisieren oder in Trance versetzen lassen.

Es gibt 6 einfache, wirksame Techniken und Hilfsmittel, mit denen Sie Ihren Erinnerungen auf die Sprünge helfen:

  1. Raum schaffen
  2. Private Aufzeichnungen nutzen
  3. Souvenirs
  4. Sinnliches Erinnern
  5. Ortstermin
  6. Mut zur Lücke

1. Schaffen Sie Ihren Erinnerungen Raum

Mit den Erinnerungen verhält es sich ähnlich wie mit der Muse: Sie mögen es nicht, wenn man ständig an ihnen herumzerrt und allzu krampfhaft nach ihnen sucht. Einige Erinnerungen lassen sich zwar mühelos und jederzeit abrufen. Andere aber kommen am liebsten unangemeldet vorbei, vorzugsweise dann, wenn wir gerade mit etwas anderem beschäftigt sind. Gerade diese spontanen und unwillkürlichen Erinnerungen sind meist interessanter und ergiebiger. Deshalb sollten Sie diesen launischen Gästen einen herzlichen und entspannten Empfang bereiten, so dass sie immer wieder gern und immer öfter bei Ihnen reinschauen.

Suchen Sie sich einen Lieblingsplatz. Einen Platz, an dem Sie sich wohl fühlen und ungestört und entspannt Ihren Erinnerungen nachhängen können. Vielleicht ist es eine Hängematte, Ihr Lieblingssessel, das Gartenhäuschen oder eine Bank im Park … Ziehen Sie sich regelmäßig dorthin zurück, laden Sie Ihre Erinnerungen ein und notieren Sie, was Ihnen einfällt. Seien Sie aber auch gewiss, dass die Erinnerungen, einmal in Gang gekommen, Sie zu jeder Zeit und an jedem Ort besuchen werden. Sei es beim Einkaufen, beim Zugfahren oder in Ihren Träumen. Das wichtigste Arbeitsgerät in der Phase des Stoffsammelns ist deshalb Ihr Notizbuch und (oder) ein Diktafon. Gehen Sie nie ohne Notizbuch aus dem Haus!

2. Tagebücher, Briefe, Fotos

Wenn Sie Tagebuch führen oder Briefwechsel pflegen, dann haben Sie hervorragende Quellen zur Hand. Durchforsten Sie Ihre Tagebuchaufzeichnungen, lesen Sie alte Briefe von Freunden, blättern Sie auch in Ihren Fotoalben. Auch Kalender, Postkarten und persönliche Dokumente wie Urkunden und Schulzeugnisse können sehr ergiebig sein. Ein Eintrag in Ihrem Poesiealbum in ungelenker Kinderschrift erinnert Sie an einen längst vergessen geglaubten Mitschüler. Und mit Ihrem alten Freischwimmerausweis taucht zugleich die Erinnerung an den Furcht einflößenden Drachen von Schwimmlehrer wieder auf …

3. Erinnerungsstücke

Im Lauf eines Lebens sammeln sich allerhand nutzlos gewordene Dinge an. Falls Sie zu den Menschen gehören, die nichts wegwerfen können, sind Sie jetzt ausnahmsweise einmal im Vorteil. Denn für Ihre Autobiografie sind diese angesammelten Dinge von großem Wert. Vielen „Staubfängern“ haftet nämlich neben der Staubschicht ein hoher Erinnerungswert an. Vielleicht besitzen Sie noch Ihre erste Schallplatte? Oder ein Souvenir, das Sie von Ihrer ersten Reise mitgebracht haben? Vorsintflutliche Küchengeräte, zerliebte Stofftiere, gesammelte Steine, gefundene Muscheln – jedes dieser Stücke kann die lebhaftesten Erinnerungen an damit verbundene Erlebnisse wachrufen. Kramen Sie also auf Ihrem Dachboden und in Schränken und Schubladen ganz hinten. Nehmen Sie diese Erinnerungsstücke in die Hand. Jedes dieser Stücke hat Ihnen etwas zu erzählen. Hören Sie zu – und notieren Sie, was es Ihnen sagt.

4. Gerüche, Geräusche – erinnern Sie sich mit allen Sinnen

Wie roch es eigentlich, wenn bei Ihnen zu Hause gebügelt wurde? Welche Geräusche hörten Sie, wenn Sie im Bett lagen? Welche Gefühle erzeugen diese vorgestellten Gerüche und Geräusche in Ihnen? Wie fühlte es sich an, wenn Sie Ihre Hand über das Geländer des Treppenhauses gleiten ließen? – Gerade die sinnlichen Eindrücke sind es, die besonders starke Erinnerungen – und vor allem auch die damit verbundenen Gefühle – lebendig werden lassen. Düfte, Klänge und andere sinnliche Details sind es auch, die Ihrem Text große Farbigkeit verleihen werden. Schreiben Sie mit allen Sinnen! Das ist eine Forderung, die für jede Art von Literatur gilt. Gerade wenn es um Ihre autobiografischen Texte geht, möchte man hinzufügen: Erinnern Sie sich mit allen Sinnen!

Schreiben mit allen Sinnen – das ist vor allem Übungssache. In der Schule des Schreibens können Sie diese wichtigen Techniken, die aus einem einfachen Text große Literatur machen, lernen und üben. Kostenlose und unverbindliche Informationen über die Lehrgänge der Schule des Schreibens erhalten Sie hier.

5. Besuchen Sie Orte Ihrer Vergangenheit

Viele Orte sind mit Erinnerungen verbunden. Das Haus Ihrer Kindheit … Ihre Schule … Die Kirche, in der zu Weihnachten immer die Krippe aufgebaut war … Die Eisbahn, auf der Sie im jugendlichen Alter Ihre Bahnen gezogen haben … Die Wiese am Bach … Machen Sie Ortsbegehungen. Wenn Sie die Orte Ihrer Kindheit und Jugend aufsuchen, kehren viele damit verbundene Erinnerungen lebhaft zurück.

6. Haben Sie Mut zur Lücke

Selbst dem akribischsten autobiografischen Gedächtnis ist es nicht vergönnt, das Leben lückenlos zu erinnern und zu recherchieren. Vor allem, wenn Sie eine chronologische Lebensrückschau planen, ist es wichtig, dass Sie sich immer wieder klar machen: Unser Gedächtnis ist kein Computer und die Speicherung von Lebensereignissen auf unserer individuellen „Festplatte“ folgt nicht den Regeln von IT. Zum Glück: Denn während der Computer jedes, (aber auch jedes!) eingegebene Zeichen auf seiner Festplatte speichert und letztendlich nichts anderes als einen riesigen Haufen von Datenmüll produziert, gibt der Mensch den Ereignissen eine Bedeutung. Er speichert selektiv nur die wichtigen und bedeutsamen Ereignisse ab.

Dazu kommt, dass die ersten Lebensjahre überhaupt keine Gedächtnisspuren hinterlassen können, weil das autobiografische Gedächtnis sich erst im Alter von ca. 3 Jahren entwickelt. Deshalb erinnern wir uns auch nicht an unsere Geburt und die früheste Kindheit. Für Ihre Autobiografie ist das auch gar nicht wichtig. Bei Ihrer Autobiografie geht es nicht um die lückenlose chronologische Aufzeichnung von Lebensdaten, sondern um die Substanz Ihres Lebens.

Wie William S. Bourroughs sagte: „Eine Rückschau auf ein Leben ist keine wohlgeordnete Aufzählung von Ereignissen von der Zeugung bis zum Tod. Vielmehr Bruchstücke daraus von hier und da.“ (1) In diesem Sinne: Haben Sie Mut zur Lücke und zur bruchstückhaften Erinnerung!

(1) Quelle: Carson McCullers: Die Autobiographie, Illumination and Night Glare, Schöffling & Co. 2002, Frankfurt

 

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